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Alltag auf einem Bauernhof

Die größeren und großen Scheller Bauernhöfe hatten hundert bis über vierhundert Morgen Land. Der Boden reichte vom leichten Moor bis zu schwerem Lehm. Nahezu jeder Bauer wohnte auf dem Abbau oder an der Grenze seines Besitzes. Meist hatte jeder seine eigene Wasserversorgung auf dem Hof.

Die Gebäude des Hofes, Wohnhaus, Ställe und Scheunen, standen im Rechteck um eine freie Hoffläche herum. Diese war mindestens so groß, daß man mit einem vierspännigen Zug auf ihr wenden konnte. Kleinere Höfe hatte nur zwei Arbeitspferde für etwa fünfzig Morgen Land; die Hoffläche war auch entsprechend kleiner. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es noch wenige Traktoren im Dorf, und wenn, dann nur zum Pflügen und Arbeiten auf schwerem Boden.

 

Die Vegetationszeit war kurz, also mußte die Zeit im Sommer intensiv genutzt werden. Arbeitszeiten von zwölf Stunden und mehr waren keine Seltenheit. Jeder, der auf dem Hof lebte, mußte mitarbeiten, meistens zwei bis drei Generationen zusammen. Das förderte nicht immer den häuslichen Frieden, aber alle waren aufeinander angewiesen, und deshalb lief die Arbeit.

Größere Höfe hatten Instleute beschäftigt. Diese wohnten in einem separaten Haus neben dem Hof. Die Instleute hatten freie Wohnung, bekamen ihr Deputat und ein Taschengeld. Dafür mußten sie ganzjährig auf dem Hof arbeiten. Zu den meisten Insthäusern gehörten noch ein Stall und ein großer Garten, so daß das Einkommen der Bewohner aufgebessert werden konnte. Kleinere Höfe beschäftigten unverheiratete Arbeiter. Wenn die Bauern Wohnungen an Familien vermietet hatten, dann mußten die Männer und Frauen, oft auch die großen Kinder, im Sommer auf dem Hof helfen. Während der Haupterntezeit arbeiteten oft auch Leute auf den Höfen, die sonst während des Jahres anderweitig beschäftigt waren, z.B. als kleine Handwerker.

Wenn ein Jungbauer den Hof überschrieben bekam, wurde für den Altbauern ein "Ausgedinge" festgelegt, das Wohnung, Kleidung, Versorgung und eine kleine Rente umfaßte. Wenn es mehrere Kinder in der Familie gab, was ja meistens der Fall war, bekamen die übrigen Kinder eine angemessene Ausbildung und Aussteuer. Der Jungbauer mußte, allein schon um existenzfähig zu bleiben, sich eine Partnerin suchen, die lieb war, arbeiten konnte und auch Aussteuergeld mitbrachte.

Der Ermländer war ein gläubiger, naturverbundener Mensch. Vom Mai bis in den Sommer hinein nahm er an den Wallfahrten teil, die aus Dank und auch aus Tradition durchgeführt wurden. Der Sonntag war Ruhetag auf dem Hof. Es wurden nur die allernotwendigsten Arbeiten verrichtet, Wenn aber ein Unwetter drohte, das die Ernte schädigen oder gar vernichten konnte, verkündete der Pfarrer in der Messe von der Kanzel, daß auch am Sonntag auf dem Feld gearbeitet werden durfte.

Der Vater war für Hof und Feld zuständig, die Mutter in erster Linie für das ganze Haus und - vor allem bei kleinen Betrieben - für einen Teil des Hofes. Jedes Kind wurde schon früh zur Verantwortung herangezogen: Die Schulkinder mußten Gänse, Hühner und Schafe versorgen. Mit zwölf Jahren haben die Jungen mit Pferden schon Feldarbeit verrichtet, manchmal lieber als Schulaufgaben.

Wenn die Frühjahrsbestellung zu Ende war, wurde Torf gestochen - Heizmaterial für den Winter. Fast jeder große Bauer hatte eine Moor- oder Torfwiese, in der der Torf bis zu zwei Metern dick lagerte. Anderes Heizmaterial war Holz, das aber nur im Winter geschlagen wurde. In den Wintern lag oft so viel Schnee, daß das Holz mit Schlitten transportiert werden konnte. Langholz transportierte man mit zwei Schlitten, die durch gekreuzte Ketten miteinander verbunden waren. Mit Schlitten sind natürlich keine Rodelschlitten, sondern Pferde- und Arbeitsschlitten gemeint. Weil alte Arbeit von Hand erledigt wurde, auch das Laden, war der Holztransport mit dem Schlitten besser und einfacher als mit einem Wagen.

Nicht nur Brennholz holte der Bauer aus seinem Wald, sondern auch Bauholz für größere und kleinere Aufgaben und Reparaturen auf dem Hof. Stämme, die zu Brettern verarbeitet werden sollten, fuhr man in das nächste Sägewerk. Wiederaufforstungen und Neuanpflanzungen wurden nicht vergessen: im Frühjahr, im April, wurden meistens Tannen und Kiefern gesetzt.

 

Bei der Heu- und Klee-Ernte im Juni ging es noch immer ziemlich ruhig zu. Das Heu und der getrocknete Klee wurden auf dem Hof mit einem Gebläse auf den Heuboden transportiert. Der Klee war meistens zusammen mit dem Hafer im Frühling des Vorjahres gesät worden. Nach der Getreideernte wuchs dann der Klee weiter. Später wurden die Schläge abgeweidet oder durch einen leichten Zaun geschützt. Im zweiten Jahr wurde dann der Klee geerntet.

Nach der Klee-Ernte begann der erste Umbruch der Schläge des zweijährigen Klees, die Brache vor der nächsten Wintersaat. Vorher jedoch wurde der Acker mit Stallmist gedüngt. Bei diesem Umbruch wurde der Klee-Acker mit einem Schälpflug gepflügt oder mit einem Grubber gelockert. Dann ruhte der Acker bis zur Vorbereitung der Wintereinsaat. Den ruhenden Acker nannte man die "Brache". Dieser Ausdruck stammte noch aus der Zeit der Dreifelderwirtschaft, bei der Sommergetreide, Wintergetreide und Brache aufeinander folgten. Der zweite Umbruch war dann das Pflügen vor der Feldbestellung für das Wintergetreide. Es gab Rot- und Weißklee. Der Weißklee war widerstandsfähiger und konnte mehrere Jahre stehen bleiben. Klee war und ist ein Stickstoffsammler, also ein guter Gründünger, aber auch ein eiweißhaltiges Futter für das Vieh.

Im Juli begann die Hauptarbeitszeit des Bauern, die bis in den Spätherbst und den Frühwinter hinein andauerte. Ende Juli, zu Sankt Anna (26. Juli), waren Roggen und Sommergerste zu ernten; die Weizen-, Hafer- und Gemenge- (Futtergetreide-) Ernte dauerte vom August bis in den September hinein. Erntezeit - schöne Zeit - aber auch schwere Zeit und Schwerstarbeit!

Mit Sensen wurde vorgemäht, um "Fahrrinnen" für die Selbstbinder zu schaffen, die wohl jeder Bauer hatte. Das Getreide wurde, wenn es in den Stiegen getrocknet war, zusammengefahren und in Scheunen oder Mieten gelagert. Man sagte im Dorf und in der Umgebung, das Getreide müßte erst "schwitzen" und lagern, damit es dann später besser ausgedroschen werden könnte. Zum halben September mußten der neue Roggen und der neue Weizen schon gesät, die Kartoffel- und Rübenernte im Oktober beendet sein, denn zu Allerheiligen (l. November) war schon mit Frost und erstem Schnee zu rechnen.

 

Das Vieh war dann wieder fest im Stall, und die ruhigere Zeit brach an. Zu Martini (11. November) wechselten oft die ledigen Arbeiter ihre Stelle, und an die Instleute wurde das Deputat ausgegeben, d.h. Sachleistungen wie Naturalien oder die Gestellung eines Pferdegespannes. Jeder war auf Vorratswirtschaft angewiesen, denn Konservierungsmöglichkeiten wie heute gab es ja noch nicht.

Wenn es ein gutes Erntejahr gewesen war, gab es auch ein paar Festlichkeiten zum Erntedank. Aber das Feiern wurde nicht übertrieben, denn im Grunde waren alle sparsam, da jeder bestrebt war, seinen Hof mit dem Inventar in Ordnung zu halten. Hier wurde auch zuerst investiert.

Großen Wert legte man auf gute Zuchten und Nachzuchten des Viehs. Ein Hengst konnte vierzig bis fünfzig Stuten decken (doch welcher Bauer hatte soviel Tiere?), aber sein Ankauf und seine Haltung waren teuer. Beim Rindvieh und bei den Schweinen waren die Kosten nicht so hoch, da man einen Bullen oder einen Eber nach drei Jahren zum Schlachten verkaufen konnte. Bei den anderen Tieren wurde nur in der Nachbarschaft, höchstens im ganzen Dorf getauscht, damit keine Inzucht entstand.

Pferde waren das "Aushängeschild" des Bauern. Trakehner mit Belgiern gekreuzt, waren die besten Ackerpferde. Manche Bauern züchteten auch ausgesprochene Fahr- oder Kutschpferde. Diese konnten bei leichter Last zehn Kilometer weit im Trab bis zur nächsten Stadt, also bis nach Rößel, laufen. Unter 1eichter Last verstand man einen Kutschwagen oder einen Kastenwagen mit wenig Zuladung. Ansonsten wurde die Pferdekraft voll ausgenutzt. Die tragenden Stuten wurden fast bis zum Fohlen fest eingespannt und nur zwei Wochen vor diesem Termin für leichtere Arbeit eingesetzt Bei frühem Fohlen, manchmal schon im Februar oder März, wurden die Stuten jeden Tag bewegt. Diese Arbeit war für die Schuljungen eine Abwechslung, wenn die Feldarbeit noch nicht begonnen werden konnte.